Beruflicher Neuanfang: vom Metzgermeister zum Krankenpfleger

Was haben eine Erzieherin ohne Abschluss, ein Fahrzeuginnenausstatter, ein Einzelhandelskaufmann und ein Metzgermeister gemeinsam? Sie alle arbeiten jetzt in der Pflege …und sind sehr glücklich mit ihrem Berufswechsel. Mit einer zweiten Ausbildung oder Umschulung sind vier ganz unterschiedliche Menschen zu einem Job in der Pflege gekommen. Die Agenturen für Arbeit beraten und unterstützen bei allen Fragen rund um das Thema Qualifizierung und Weiterbildung.  
 
 
Die Corona-Pandemie und eine schrumpfende und zugleich alternde Gesellschaft bringen große Herausforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich mit sich.
Während manche Branchen stark von der Corona-Pandemie gebeutelt sind und sich andere Branchen strukturell wandeln, ist der Bedarf an Fachkräften in der Pflege weiterhin besonders hoch: 2020 wurden in Baden-Württemberg 3.759 Voll- und Teilzeitstellen im Bereich Gesundheits- Kranken- und Altenpflege gemeldet, 2.815 Stellen auf dem Niveau einer Fachkraft.
 
Um die Aus- und Weiterbildung in der Pflege zu stärken, unterstützt die Bundesagentur für Arbeit die Ausbildung und Qualifizierung von Pflegekräften. Im Bereich der Pflege profitierten 2020 in Baden-Württemberg zum Beispiel 1.093 Beschäftigte und deren Betriebe von der Förderung der beruflichen Weiterbildung, 814 von ihnen erlangten einen Berufsabschluss.
 
Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, setzt auf die Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit: „Der Arbeitsmarkt in der Pflege ist krisensicher und hat Zukunft. Der Pflege- und Gesundheitsbereich ist eine ständig weiterwachsende große Branche. Digitalisierung und medizinischer Fortschritt sind Treiber dafür, dass sich die vielseitigen Tätigkeitsfelder immer weiterentwickeln. Sie sind auch attraktiv für Quereinsteigende. Die Agenturen für Arbeit beraten und begleiten bei der beruflichen Neuorientierung. Und sie leisten durch Förderungen von beruflicher Weiterbildung mit Abschluss einen Beitrag dazu, Fachkräfte für den Pflegemarkt zu gewinnen.“
 
Es gibt viele Gründe dafür, sich nach einigen Jahren im gewohnten Job neuzuorientieren. Vier Personen erzählen hier ihre ganz persönliche Motivation zum Berufswechsel:
 
Peggy R., 42 Jahre, Auszubildende zur Pflegefachfrau

Eine Ausbildung mit 42 Jahren und vier Kindern –eine große Herausforderung. Und das in Zeiten von Corona, Fernunterricht und Homeschooling. Aber nach einem Jahr als Hilfskraft im Pflegeheim war sie von einem qualifizierten Abschluss überzeugt, hat pro und contra abgewogen und sagt: „Ich möchte meine Arbeit zu 100 Prozent gut und richtigmachen. Durch die Ausbildung bekomme ich alle Fachkenntnisse, die ich dafür brauche. Das war meine Motivation.“
Nach einer begonnenen Ausbildung zur Erzieherin und der Elternzeit arbeitet Peggy R. lange Zeit als Hilfskraft in unterschiedlichen Branchen. Durch einen Bekannten beginnt sie einen Job im Pflegeheim und merkt schnell, dass das Arbeiten mit den Menschen Spaß macht.
Im April 2021 beginnt sie mit einer Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit eine Umschulung zur Pflegefachfrau. Die bisherigen Pflegeausbildungen AltenpflegerIn, KrankenpflegerIn, KinderkrankenpflegerIn wurden mit dem Pflegeberufegesetz zum 01. Januar 2020 zusammengeführt. Mit dieser neuen generalistischen Ausbildung stehen diesen Auszubildenden auch im Berufsleben mehr Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten offen. In jedem Alter und jeder Lebensphase ist es möglich, mit dieser Ausbildung einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, zum Beispiel im mobilen Dienst, im Krankhaus oder im Pflegeheim. Peggy R. erklärt: „In der Ausbildung lerne ich viele Bereiche kennen, ich habe anschließend viele Einsatzmöglichkeiten. Danach möchte ich noch weiter lernen, mich weiterentwickeln. Ich möchte mich verwirklichen, das ist meins!“
 
 
 
Dany B., 32 Jahre, vom Fahrzeuginnenausstatter zum Krankenpfleger
 
Seine Ausbildung zum Fahrzeugausstatter beginnt Dany B. mit 16 Jahren. Sie ist abwechslungsreich und er ist begeistert von allem Technischen. Nach der Ausbildung bekommt er einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Sitzfertigung eines Automobilherstellers: Die Arbeit am Band in der Zwei-Schicht wird gut entlohnt, aber ist straff getaktet, körperlich zehrend und das Miteinander im Team empfindet er als distanziert. Dany B. ist ambitioniert, schnell wird er Gruppensprecher seiner Schicht und überlegt, sich weiter zu qualifizieren. In seinem Betrieb werden jedoch zu der Zeit Meisterstellen gekürzt, so dass er sich schon bald die Frage stellt: „Wie kann ich mich weiterentwickeln? Denn selbst wenn ich die Möglichkeit habe, den Meister zu machen, heißt das noch nicht, dass ich auch die Chance bekommen werde, mein neu gelerntes Wissen auch anzuwenden.“
Die Auflösung dieses Dilemmas kommt unerwartet: „Im Nachhinein betrachtet, war mein Zivildienst, den ich nach sieben Jahren Berufspraxis in der Automobilindustrie noch in einem Dialysezentrum leistete, mein großes Glück. Die Arbeit hat mir unheimlich gut gefallen, der Umgang im Team war herzlich. Und dann wusste ich: Mein alter Job ist nicht meine Zukunft.“ So entscheidet Dany B. sich nach reiflicher Überlegung für eine Krankenpflegeausbildung. Und hat hier gleich nochmal Glück: Sein bisheriger Arbeitgeber stellt ihn für fünf Jahre frei und er beginnt die neue Ausbildung mit einem sicheren Rückfahrticket in das alte Leben. Inzwischen ist dieses Rückfahrticket abgelaufen, er hat sich langfristig für die Krankenpflege entschieden. Es ist ihm wichtig, für seinen Beruf vor allem auch bei seinen Geschlechtsgenossen zu werben: „Macht Euch Euer eigenes Bild von dem Beruf. Lasst Euch nicht davon beeinflussen, was das Bild von „außen“ ist: schlecht bezahlt und nur anstrengend. Das stimmt so nicht: Man hat in der Pflege gute Möglichkeiten, mehr zu verdienen, aufzusteigen, sich weiterzuentwickeln!“     
 
 
Steffen R., 35 Jahre, vom Einzelhandelskaufmann zum Altenpfleger

Wenn Steffen R. von seinem Job als Altenpfleger erzählt, spürt man, dass er mit Herzblut dabei ist. Durch einen familiären Pflegefall ist er zu seinem neuen Job gekommen. Steffen R. hat Einzelhandelskaufmann gelernt. Nach seiner Ausbildung hat er sich selbständig gemacht, der Job lief gut. Dann: Von heute auf morgen wurde seine Großtante zum Pflegefall. Über vier Jahr hat er sie zu Hause bis zu ihrem Tod gepflegt. Er merkte, dass er keine Berührungsängste hat und ihm die Pflegetätigkeit liegt. Außerdem wurde er durch sein privates Umfeld bestärkt: „Ich hätte mir vorher nie vorstellen können, noch einmal eine Ausbildung zu beginnen. Meine damalige Freundin hat mich bestärkt und so habe ich mit 30 Jahren noch einmal die Schulbank gedrückt.“
Seit einem Jahr arbeitet Steffen R. nun als examinierter Altenpfleger. Wenn man ihn nach seiner Motivation für einen Job in der Altenpflege fragt, antwortet er: „Es ist schön, den älteren Menschen ein Stück weit Lebensqualität zu ermöglichen. Es sind die vielen kleinen Momente, die mich täglich begleiten.“
 
 
Thomas H. 41 Jahr, vom Metzgermeister zum Krankenpfleger

Spricht man mit Thomas H. wird schnell deutlich, dass er zupackend ist und weiß was er will. So trifft er auch beherzt und entschlossen die Entscheidung, mit knapp 34 Jahren, verheiratet und mit zwei kleinen Kindern, seine eigene Metzgerei zu schließen und beruflich noch mal von vorne anzufangen. Nach einer Krebsdiagnose beim Vater, geht Thomas H. früher als geplant auf die Meisterschule und übernimmt darauf gleich den elterlichen Betrieb: „Mit 23 Jahren war ich plötzlich selbständig und hatte 14 Mitarbeiter. Der Betrieb war ein Selbstläufer mit zwei Meistern in der betriebseigenen Schlachtung.“ Das Geschäft floriert, Thomas H. eröffnet eine weitere Filiale, baut einen Partyservice auf. Als seine zwei Meister nacheinander den Betrieb verlassen, ist es fast unmöglich, neues Fachpersonal zu finden. Sein Arbeitspensum nimmt noch weiter zu und Thomas H, erlebt eine permanente Dauerbelastung: „Irgendwann schaffst Du gefühlt von frühmorgens bis tief in die Nacht, von Sonntag bis Samstag“. Den Entschluss, sich beruflich zu verändern, um mehr Lebensqualität und endlich Zeit für seine Familie zu haben, setzt er innerhalb weniger Wochen um. Am 31.3.2014 schließt er seinen Laden – jedoch nicht ohne alle seine Mitarbeiter mit neuen Jobs versorgt zu haben. Am Tag darauf startet seine Ausbildung in der Pflege. Seine Frau erhöht ihre Arbeitszeit und gemeinsam stemmen sie auch finanziell die Ausbildung. Mit seiner neuen Tätigkeit ist Thomas H. sehr zufrieden, sein Job ist erfüllend und durch die Schichtarbeit gelingt ihm die Balance zwischen Beruf und Familie. Und Quereinsteigende bringen seiner Einschätzung nach etwas Wertvolles für den Umgang mit den Patienten mit: Sie profitieren von ihrer Lebenserfahrung.  
 
 
Zahlen, Daten, Fakten – Statistik Baden-Württemberg 2020
 
•    2020 arbeiteten 206.324 Personen in der Alten- und Gesundheitspflege. Damit betrug ihr Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vier Prozent
•    Hoher Frauenanteil: In der Krankenpflege lag der Frauenanteil 2020 bei ca. 80 Prozent, in der Altenpflege bei 82,5 Prozent.
•    Qualifikationsniveau der Beschäftigten: In der Krankenpflege waren 2020 fast 72 Prozent der Beschäftigten Fachkräfte. In der Altenpflege waren 44 Prozent in Helfertätigkeiten beschäftigt und circa 54 Prozent als Fachkräfte.
•    Offene Stellen: In der Krankenpflege waren 2020 1.951 Stellen gemeldet, davon 80% Prozent auf Fachkräfte-Niveau. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Altenpflege. Hier waren 1.808 gemeldet, davon 70 Prozent auf Fachkraftniveau.
 
 
Weiterführende Links
•    Interessiert an einer Weiterbildungsberatung? Imagefilm zur Berufsberatung im Erwerbsleben - #Zukunft gemeinsam gestalten   https://youtu.be/aTPSmCRIzFg
•    https://www.arbeitsagentur.de/m/weiterbildung-qualifizierungsoffensive/
 
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg, Presseinformation Nr. 18/ 2021

 

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